Die allgemeine ländliche (Schweriner) Tracht

Die allgemeine ländliche Tracht in Mecklenburg, kurz auch Schweriner Tracht genannt, war die mit Ausnahme der Sondertrachten fast überall getragene Bekleidungsform.

Männertracht: Hose, Weste, ]acke und Kittel, aus selbstgewebtem Leinen hergestellt, für gewöhnlich blau gefärbt.

Tagelöhner und zum Teil auch die Bewohner der südlichen Landesteile trugen Kittel aus ungefärbtem Leinen.

Leopoldi über die bis 1860 in getragene Tracht: „Zum Anzug der Männer gehörten allgemein die bis zu den Hüften reichende Weste, eine Jacke mit einer Reihe Knöpfe, eine Kniehose, an  den Knien mit ledernen Senkeln zugebunden, weiße wollene Strümpfe nebst Stiefeln, die über die Waden reichten, oder Schuhe mit Riemen bzw. Schnallen sowie ein schwarzes oder buntes Halstuch. Nach Schildt (Friedrich Schildt: Ein Bauerndorf im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin vor 50 Jahren, 1907) wurden bereits um 1860 in vielen Dörfern lange Hosen getragen, die damals noch allgemein zum Öffnen vorn mit einer Klappe (dei Büchsenklapp), nicht wie später mit einem Schlitz, versehen waren. Die von den Männern bei der Arbeit getragenen Hemden waren meistens aus Grobleinen, hatten besondere Achselstücke, unten an beiden Seiten einen Schlitz und ebenso wie das weiße, grobleinene, bis zum Knie reichende Arbeitshemd der Frauen am Halsausschnitt, der bei den Männern mit zwei Knöpfen geschlossen wurde, bei den Frauen kürzer und offen war, eine viereckige kleine Öffnung, das sogenannte Flohfenster. Die kurzen Ärmel des Frauenhemdes hatten einen Keil, ebenso wie die langen, mit einem Bündchen versehenen Ärmel des Männerhemdes.“

Über die enge Kniehose zog man bei der Arbeit vielfach eine Überhose, über die farbige Weste den Schlippenkittel aus Leinen, wegen seiner Länge auch Dausläper oder Slangengrieper genannt. Bei der Arbeit zusammengehalten von etwa sechs Zoll (ca. 12-15 cm) breitem, schwarzledernem Gürtel.

Sonntags- und Festtagstracht wie Alltagskleidung, doch aus besserem Stoff.

Weste: gestreifte Boomsied‘ (Baumseide), am  Hals zurückgeschlagen, dass man das mit „bleierner Zierrath zugeheftete Hemde“ oder oft die Brust sehen konnte. Dünnes schwarzseidenes Halstuch. Kurzer blauer Rock aus Tuch ohne Kragen (Fauderrock), darüber ein langer Tuchrock. 

Tracht der Tagelöhner ähnlich wie Bauerntracht; soziale Unterschiede in der Zahl der Kleidungsstücke und der Qualität des Materials bemerkbar; Tagelöhner trugen auch an Sonntagen Leinenkittel und keine Tuchröcke. Nach 1850 Einflüsse von städtischen Schnitten; Farbe der Tuchröcke wurde, besonders zum Abendmahl, schwarz.

Kopfbedeckungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts: runde Hüte mit breitem Rand; im Haus: runde Fellmützen.

In einigen Gegenden die „Klott“ oder „Puttmütz“, eine runde Mütze aus grünem Stoff, mit Fell verbrämt, mit kleinem Quast oben. Ab 1860 zum Kirchgang Zylinder, wenig später auch bei der Arbeit.

Nach 1860 Schirmmütze aus blauem Tuch (de Kips mit de Schut).

Wie bei der Kopfbedeckung, so begann etwa ab 1850 modischere, städtische Kleidung die alten, schweren Trachtenstücke zu verdrängen. Träger der neuen Entwicklung waren zuerst die Tagelöhner, die vielfach in die Städte auf Arbeit zogen und dadurch mit städtischen Lebensformen in Berührung kamen.

  Frauentracht bis in die zweite Hälfte 19. Jahrhundert: Langer Frauenrock aus selbstgewebter, buntstreifiger Beiderwand oder Warp (Worpröck), am Saum mit Streifen von Samt- oder Seidenband benäht. Wossidlo hat eine Mitteilung überliefert, daß man bei den jungen Mädchen an der Anzahl dieser Streifen die Höhe der Mitgift habe erkennen können.

Zu Anfang des Jahrhunderts Röcke noch in viele kleine Falten gelegt, später nur vorn etwas gekräuselt und der Faltenteil auf die Rückseite beschränkt. Mehrere Röcke übereinander; die unteren z. T. aus Fries oder Flanell. Hemden (Hemdschörten) waren aus zweierlei Material: Leibchen aus Leinwand, der untere Teil aus Sackleinen. Leibchen bedeckte ein

Mieder (Bindlief) aus Flanell oder Boomsied‘, oder aus grauer Leinwand oder Nanking, darüber sehr weit ausgeschnittene Jacke (Kamisol oder Jop”) aus Boornsied' oder Rasch, manchmal auch aus Tuch oder Kattun, unten „zugehäkelt“.

Bei kühler Witterung wärmeres Mieder, Zipfel eines oder mehrerer um den Hals geschlungener wollener Tücher hineingesteckt.

Kopfbedeckung: im Haus Mütze aus Nesselleinen oder schwarzem Flanell bzw. Kattun; außer Haus: selbstgefertigte, aus drei Pappstücken zusammengesetzte runde Mütze (Dreistückmütze), mit Stoff bezogen, an den Nähten mit Band besetzt. Am vorderen Rand der „Strich“, eine bis zu drei Zentimeter breite weiße Spitzenrüsche (Strichmütz); Bänder unter dem Kinn zu einer Schleife gebundene Bänder.

Sich in „bloßen Haaren“ sehen zu lassen, galt als unschicklich.

Unterschiede der Mützen: Südwestmecklenburg: Dienstmädchen: schwarzer Längsstreifen in der Mitte ihres strichlosen, mit Goldborte besetzten „Köppels“.

Bei Erntearbeit: Strohhut, genannt „Pierkopp“ wegen seiner länglichen Form, später durch den sogenannten „Flunkerhot“ [flunkern - flattern] abgelöst (Helgoländer).

Sonn- bzw. Festtagstracht: bessere Stoffe, Zierat, auch die Wahl der Farben; Sonntagsröcke (bis zu 6 !) und Jacken schwarz, Mieder bei Mädchen aus rotem oder grünem Damast bzw. Kamink, die Schürze, aus Kattun oder Seide. Mütze mit Glasflüssen und Gold- und Silberlitze reich verziert (Blankmütz).

Zum Abendmahl weißes, reich gesticktes Mulltuch über der Jacke.

Hochzeit: Die Braut trug die besten Stücke ihrer Sonntagstracht, die sich nur durch einen besonders reichen Schmuck auszeichneten. Dazu gehörten lange, buntseidene Schär-

pen und ein weißes, reich mit Gold und Silber besticktes Halstuch. Überall waren Sträuße von Flittergold und Glasperlen angebracht. Der auffallendste Schmuck aber

war die Brautkrone, ein fußhohes Gestell aus Goldflittern, Papierblumen, Silberdraht (Bäwernadeln) und Glas- und Wachsperlen, von der mitunter bis zu 20 lange, breite

Seidenbänder bis zur Erde herabfielen. Arme Mädchen trennten dafür die Bänder ihrer Strichmütze ab oder liehen sie von ihren Freundinnen. Im allgemeinen gab es im

Dorf nur eine Brautkrone, die im Schulzen-, Pastoren- oder auch im Gutshause aufbewahrt und gegen eine bestimmte Gebühr ausgeliehen wurde. Nur selten kaufte eine reiche Bauerntochter sich eine eigene Krone.

 Beschreibung der allgemeinen mecklenburgischen Tracht, wie sie etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts von den jungen Mädchen getragen wurde (Ludwig Fromm: Mecklenburg. Ein niederdeutsches Landes- und Volksbild. Schwerin 1860):

„Der Hinterkopf ist bedeckt mit einer kleinen Pappmütze (Köppel), die mit reicher Goldstickerei und mit vielen in den Nacken hängenden seidenen Bändern (Start = Schwanz genannt) geschmückt ist. Die Stirn umfaßt ein schmaler, fein gekräuselter „Strich“, der sich von der Schläfe abwärts etwas weitet und den Ausdruck des Gesichts ganz besonders erhöhet. Die Brust wird von einem niedrigen, mit breitem schwarzen (auch rothen und blauen) Bande urnfaßten Mieder (Jope) bedeckt, unter welches die Zipfel des um den Hals geschlungenen, oft sehr reich mit Gold und Silber oder mit Seidenstickerei verzierten Halstuches gesteckt werden. Auf der Vorbrust wird das letztere durch eine große herzförmige Schnalle (Spange), mit Steinen besetzt, zusammengehalten, und die langen bauschigen Ärmel des Mieders sind unten oft mit silbernen Knöpfen besetzt und lassen eine feine gekräuselte Spitzenmanschette sehen. Die kurzen Röcke (sonntags oft von schwarzem Tuche) sind unten mit handbreitem Bande umsäumt, dessen Farbe nach den Verhältnissen wechselt. Letzteres ist auch mit der Schürze der Fall, die zum Beispiel bei einem Leichengefolge weiß ist (wie auch das Halstuch), zur Kirche schwarz, sonst oft auch bunt. Gleichfalls die um die Taille geschlungenen breiten seidenen Bänder, die gewöhnlich schwarz sind.

Die Strümpfe sind rein weiß von Wolle, die Schuhe sehr stark ausgeschnitten, mit einer viereckigen oder rundlichen Schnalle auf dem Oberfuße verziert und mit kleinen, hohen und spitzen Hacken. Zu dieser (Kirchgangs-) Tracht gehört dann noch ein weißes, wenn möglich gesticktes Schnupftuch, ein kleiner Pelzmulf, der früher auch im Sommer getragen wurde, und das stark mit Silber beschlagene Gesangbuch. Die Farbe des Oberrockes ist immer

eine dunkle, diejenige des Besatzbandes ist aber verschieden fast für jede einzelne Dorfschaft. Das Band gehört schon demjenigen Theile des Schmuckes an, welcher in dem Belieben einzelner Personen steht. Dazu rechnen wir auch die Stickerei überhaupt, deren Reichhaltigkeit von den Mitteln der Leute abhängt. Wohlhabendere tragen oft eine sehr reiche Stickerei auf dem Halstuche, soweit dies die Brust und den Nacken bedeckt; sie arbeiten dieselbe selbst und zeigen darin einen s ehr guten natürlichen Geschmack. Wir können versichern, auffallend schöne, selbstgefertigte Stickereien gesehen zu haben, und dies wird man auch leicht begreifen, wenn man erwägt, daß die Muster, nach welchen die Bäuerinnen arbeiten, keine anderen sind als die natürlichen Blumen und Blätter ihrer Gärten.

Die Kirchgangstracht unterscheidet sich insofern von der häuslichen Sonntagstracht, als man es sich während der Sommerzeit auf dem eigenen Dorfe bequem macht und das Mieder, auch wohl einen oder mehrere Röcke ablegt. Dann bedeckt den Oberkörper ein ärmelloses Mieder (Bostliev, Bindliev), unter welchem man ein rein weißes, feines Hemd (Oewerhemd) mit langen Ärmeln trägt, deren Queder rot gestickt ist. Diese Tracht ist sehr freundlich und steht den jüngeren Leuten außerordentlich gut.

Der Hut, von Span geflochten, wie ihn jede Bäuerin besitzt, wird sehr wenig benutzt, ist übrigens auch schwer und heiß, gewöhnlich noch mit buntgeblümtem, dunklem Kattun gefüttert und den ganzen Kopf bedeckend. Nur im Winter und bei schlechter Witterung sieht man ihn häufiger; beim Kirchgange aber läßt man ihn auch trotz des Wetters fort und schlägt dann den obersten, dicken Rock von hinten über den Kopf, wodurch genügender Schutz erreicht wird.“ 

Zum Tanz und bei der Ernte trug man eine kurzärmlige Jacke, die um 1900 mit den sonst nicht landesüblichen Puffärmeln versehen war. Zu diesem Zeitpunkt war also die Tracht schon weitgehend verschwunden und durch städtische Kleidung ersetzt. Eine Erinnerung daran erhielt sich noch in der nach Farbe und Form bereits zum Teil abgewandelten Kleidung der Stubenmädchen auf den mecklenburgischen Gütern. Auf Wunsch der „Herrschaft“ mußten die Mädchen vielfach den gestreiften Warprock, der sonntags mit Litzen besetzt war, tragen, eine schwarze Samtjacke mit Puffärmeln und eine weiße, möglichst eigengemachte Schürze, dazu lila Strümpfe und Hackenschuhe. Diese letzten Ausläufer der Schweriner Tracht wurden aber auch hie und da von den Bauerntöchtern noch gern getragen. Die nachgearbeiteten Trachten, die von der Volkstanzbewegung oder anläßlich von Trachten-festen getragen wurden, lehnten sich hauptsächlich an diese schon nicht mehr ursprünglichen Trachtenstücke an.

(Quelle: Mecklenburgisches Folklorezentrum der drei Nordbezirke, Hrg.: Mecklenburgische Volkstrachten, 2. Auflage Rostock 1986)


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