Wir trauern um unser Mitglied Manfred Brümmer

Am 7. Juli 2021 ist unser Verbandsmitglied und Freund Manfred Brümmer gestorben.

1947 in Stavenhagen geboren, hatte er die Grundschule und die Zentralschule Zettemin absolviert, kam dann in die Internatsoberschule in Seewalde bei Neustrelitz. Er absolvierte eine Forstwirtschaftslehre und wurde Forstwirt in Güstrow. 1975 vertauschte er den geordneten Baumbestand des Waldes mit dem Dickicht der Stadt und wurde Schauspieler, später Direktor und Dramaturg an der Fritz-Reuter-Bühne am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin.

Nun war das Plattdeutsche, das er, wie Fritz Reuter, in der Reuterstadt Stavenhagen mit auf den Weg bekommen hatte, nicht nur seine Berufung, sondern auch sein Beruf. Doch ganz im Gegensatz zu manchem Schreiber, der meinte, wenn er plattdeutsch könne, dann könne er auch Reuter, beschäftigte sich Brümmer intensiv mit dem Klassiker der niederdeutschen Literatur, mit hochdeutscher Bühnenliteratur, mit niederdeutscher Literatur überhaupt.

Die Zahl der Bühnenstücke, die er für die plattdeutsche Bühne übertragen hat, sind wohl nicht ohne Schwierigkeiten zu zählen. Die vielen Rundfunksendungen auch nicht. Neben vielen Programmzusammenstellungen hat er zwei Stücke nach Reuter auf die Bühne gebracht, das waren im Jahr 1986 Reuters Bühnenstück „Blücher in Teterow“, dem er einen frischen Anstrich gab, und im Jahr 2004 „Revolutschion in Pümpelhagen“, ein Musical mit der Musik von Helmut Frommhold in Anlehnung an Szenen aus der „Stromtid“. Mit seinen Bearbeitungen hob er sich von allen anderen ca. 150 unterschiedlichen Bühnenadaptionen von Reuters Weken ab, indem er immer wieder intelligente Spitzen auf das Hier und Heute einfügte, und selbst in dem Musical die politischen Zusammenhänge von 1848 durchaus unterhaltsam und doch genau darzulegen verstand. Reuter hätte wohl seine Freude daran gehabt.

Die Osnabrücker Zeitung meinte zur „Revolutschion“: „Manfred Brümmer […] macht aus dem umfänglichen schriftstellerischen Werk eine kurzweilige Komödie mit ernstem Hintergrund. […] eine Mischung aus kleiner heiler Welt und gesellschaftlicher Realität, lässt den Akteuren Raum, aus ihren Figuren lebendige Menschen zu entwickeln […]. Eine treffliche Verbeugung vor dem Schriftsteller Fritz Reuter.“

Allerdings: Mit einer Liedzeile beschwor er meinen frauensolidarischen Widerspruch herauf:

„Es braucht ein Mann die Zweisamkeit.

Scheint das Theorie, beweise ich diese

am Ehepaar Reuter, an Fritz und Luise,

denn war auch Luise wohl manchmal ein Besen,

so wäre er ohne sie gar nichts gewesen […].“

Mit der Rundfunkreihe “Reuter an de Stripp“ von NDR 1 Radio M-V fesselte Manfred Brümmer im Reuter-Jubiläumsjahr 2010 wöchentlich nicht nur die Reuterfreunde, sondern diktierte ganzen Familien, auch meiner, die Zeit des sonntäglichen Frühstücks.

Brümmer war ein exzellenter Kenner des Reuterschen Werkes, und was das Schönste war: er liebte den Schriftsteller, wie man das nur mit klugem und wachem Geist, mit dem Gefühl für die Schönheit von Reuters Sprache, mit dem Sinn für sein gesellschaftliches Engagement, seine warme Menschlichkeit und seinen ganz speziellen Humor kann. Unvergessen bleiben Brümmers zum Glück auf Tonbänder, Filmrollen, CD’s gespeicherten Interpretationen von plattdeutscher Literatur, besonders der eigenen Texte, mit der schönen warmen rauchigen Stimme, die er so vortrefflich einzusetzen wusste.  

Als Sprecher in dem 1982 von DEFA und NDR gedrehten Film „Ut de Franzosentid“ ist er im Filmkabinett des Fritz-Reuter-Literaturmuseums seiner Heimatstadt Stavenhagen zu hören.

Manfred Brümmer und ich teilten vielfach Meinungen über Gesellschaft, über Menschen, über Bücher, einig waren wir uns auch in der Abneigung gegen den Fontaneschen Ribbeck, sowohl wegen des Inhalts als auch wegen gelegentlicher Aufnahme dieses Gedichtes in den Kanon der plattdeutschen Literatur. Er schrieb:

[…] Disse Ribbeck is as 'n Smeerplacken, de mit Waschen nich awtaukriegen is. Un wenn du glöwst, dat he mit de Tied so bilütten weniger worden is, denn kümmt ein, odder kamen twei, un smeeren em di dick wedder up.

Klor, dat is von Fontane, un dat wier 'n berühmten Dichter. Ludwig Uhland wier ok 'n berühmten Dichter un hett grad so as Fontane väl schöne Saken schräben.

Äwer sien Gedicht "Schwäbische Kunde" hett de "political correctness" all in de Kist smäten. Odder kennen Se dat villicht? Seihn Se? "Als Kaiser Rotbart lobesam ins Heil'ge Land gezogen kam ...", so fangt dat an. Jawoll, dat geiht üm einen Krüzzug.

Dat "Befreien" würd mit Dootschlagen tauwääg bröcht, dat wier lobesam, un uns wackere dütsche Ritter harden dor väl Freud an, wenn man de Dichter glöwt. Ein Ritter ut Schwaben hett nämlich in dit Gedicht einen mit denn' verkiehrten Globen midden dörchhaugt. "Zur Rechten sah man wie zur Linken einen halben Türken heruntersinken". Nee, dat geiht hüt würklich nich miehr, ok nich, wenn ein Uhland heit.

Bi Fontane sienen Ribbeck ward ja nu friedlich storben. Un de gaude olle Gaudsherr is noch oewer sienen Dood rut leiw tau de armen Kinner in sien Dörp. He lött ne Beer in sien Graww leggen, dormit in twintig odder dörtig Johr - wo lang'n brukt so'n Beernboom? - de Bedürftigen ehren Hunger un Vitaminbedarf up'n Karkhoff stillen künnen

He harr ja all tau Läwtieden an Kinner, de in Holtpantinen vörbikemen, Beern verschenkt, as gnädig un gäudig Gaaw. Natürlich harr he ehr ok Schauh schenken künnt, äwer man dörf nich tauväl verlangen, denn Schauh kosten Geld un Beern nich. Äwer he hett sick ümmerhen beide Taschen vullstoppt, dat wull Fontane woll as besünners grothartig verstahn hebben. Twei Taschen vull Beern? Woväl sünd dat? Wenn' mal oewerleggen deiht, dat Beernbööm hoch sünd, un dat he säker nich up de Ledder kladdert is, denn koenen eigentlich nich väl Beern tau de Kinner kamen sien. Odder dat geew nich väl Kinner in denn' Urt.

Hebben de von Ribbeck villicht ehr Jus primae noctis nich wohrnahmen? Odder  hett he blot 'n poor von de Lütten besünner leiw hatt un ehr beschenkt? Oh Mann, nu äwer blot nich ganz so leeg denken!

Dat so 'n Beernboom ut 'n Graww wassen kann, is natürlich dumm Tüügs. Wo deip liggt so'n Dooden? so bi ’n Meter achtig, glöw ick. Also dor schafft dat de best brandenborgsch Beer nich, sick tau reproduzieren. Un sülwst wenn, - wenn so'n Boom nich veredelt ward, dröggt he blot lütte Holtbeern. Na taumindst passen dorvon väl in twei Taschen un de Kinner koenen sick prima dormit smieten.

Na gaud, ick lat mal allens bisiet, wat botanisch nich so gahn wier. Äwer bi de letzten beiden Reigen von dat Gedicht ward mi oewel. "So spendet Segen noch immer die Hand ..." Sägen? S ä g e n ??? Ick hew mi ünner Sägen mien Läwdagg wat anners vörstellt. Ne Beer schenkt tau kriegen von einen, denn' dat bäder as gaud geiht in sien "Doppeldachhaus"? Ach so, dat gehürt tau uns klassisch Arwdeil un is blot allegorisch, symbolisch, in' oewerdragen Sinn tau verstahn? Woans sallen wi dat denn verstahn? Wat wull uns denn nu de Dichter dormit seggen? Ick finn nix anners rut, as dat dat in Brandenborg gaude rieke Minschen geew, de arm Kinner mal wat schenkt hebben. För wat sall denn de Beer üm Himmelswillen ein Symbol sien?

Steiht disse Ribbeck eigentlich ümmer noch in Schaulbäuker? Ick hoff nich. Äwer dat verschafft em ja liekers keinen würlichen Dood, denn as 'n süht finnen sick ümmer weck, de giern denn' Sargdeckel wedder upmaken. För fief Reigen Platt in ein hochdütsch Gedicht, un de ok noch tau Hälft verkiehrt.

Für die Publikation „kikut“ 28/2006 sandte er dann diese schöne böse Parodie:  

Ribbeck lebt!

Der Unternehmer Pipapo

saß Profite planend stets im Büro,

doch kam der Monatsletzte heran,

sah er sich seine Bilanzen an,

und immer erfreut über hohen Gewinn,

ging er dann zum Kundenservice hin.

Dort griff er sich eine volle Hand

von Bonbons aus der Schale, die da stand,

ging vor die Tür und warf sie voll Güte

den Bettlern dort in die löchrigen Hüte

und sagte schlicht, ohne langes Gedöns:

"Gauden Dag, leibe Lüüd, dor hebbt ji wat Schöns!"

 

So war es lange, doch eines Tags, leider,

ging das Leben von Pipapo nicht mehr weiter.

Die Erben sagten, kaum dass er im Grab:

"Die Schale im Service, die schaffen wir ab",

und die Bettler, die Bärte von Tränen schwer:

"He is doot, wo krieg'n wi nu Bonschen her?"

So fragten die Bettler, das war nicht recht,

ach, sie kannten Herrn Pipapo nur schlecht,

denn ins Testament schrieb er vorher hinein:

"Kauft drei Säcke Bonbons recht preisgünstig ein

und teilt sie gut auf, so dass es vielleicht

für die nächsten 100 Jahre auch reicht,

und beschenkt die Bettler zu Ultimo.

So will ich es." Unterschrift: Pipapo.

So spendet Segen noch heut seine Hand.

Wie gut sind die Reichen im deutschen Land!

Im Jahr 2010, dem Jahr der vielen Feiern zum 200. Geburtstag Fritz Reuters, erhielt Manfred Brümmer für seine großen Verdienste um die tätige Pflege der plattdeutschen Sprache den Stavenhagener Fritz-Reuter-Literaturpreis.

Mecklenburg-Vorpommern, der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern, die niederdeutsche Sprache, Fritz Reuter und ich haben einen verehrten Freund verloren.

(Cornelia Nenz)

 

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